Ein ruhiges, aber ausgiebiges Bad im vormittäglichen See belebt mich auf wundersame Weise. Auch dieser See ist - nach Wochen - wie der erste. Ja, eine andere Uferlinie und auch andere Pflanzen am Ufer, der gestrige See hatte sogar eine kleine Insel... und doch irgendwie der gleiche.
Nach der Seemitte wende ich und begebe mich auf den Weg zurück zum Ufer. Jetzt sind es noch etwas mehr als zweihundert Meter, aber die kleine Bucht vor meinem Lagerplatz hat sich verändert.
Nein, nicht verändert!
Irgend etwas, irgend jemand steht unmittelbar am Wasser.
Explosionsartig überschwemmt mich ein Strom Adrenalin und auch die beginnende Kühle in meinem Körper verwandelt sich in einen blitzartigen Wärmeschub.
Sofort stelle ich jede Schwimmbewegung ein und beobachte die kleinen, von mir ausgehenden Wellen, bis sie den Strand erreichen und den weichen Sand zart streicheln, aber in Gedanken sehe ich riesige Brecher, die an Land branden und mich verraten.
Ich weiß, ich wurde längst entdeckt und der Fremde lässt mich nicht mehr aus den Augen. Aus diesem Wasser kann ich ihm nicht entkommen. Trotz größtem Wiederstreben setze ich meine Schwimmbewegungen fort, jedoch noch langsamer und bedächtiger als vorher.
Mit jeder Bewegung erkenne ich mehr Details des Fremden.
Ein Mann, der nicht unpassender gekleidet hätte sein können. Deutlich erkenne ich einen riesigen, tiefschwarz glänzenden Zylinder und einen makellos sitzenden Anzug oder Frack, wie ich ihn nur aus alten Filmen kenne.
Auf den letzten zwanzig Metern entdecke ich einen hageren, großen, aufrechtstehenden, nicht mehr ganz jungen Gentleman - eine andere Bezeichnung fällt mir nicht ein - mit vollem, leicht ergrautem Bart und die Würde dieses Mannes liegt deutlich in der Luft.
Ich kenne diesen Mann, natürlich kenne ich ihn.
Ein heftiger Schlag gegen mein linkes Knie zeigt mir schmerzhaft an, ich habe das Ufer bis auf wenige Meter erreicht.
Der Mann mustert mich ruhig, durchaus nicht unfreundlich, ohne ein Wort zu sagen und ohne eine Bewegung.
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