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Lord Geward
Heute Vormittag beschert mir das Glück eine besondere Köstlichkeit: Saftige, kleine Walderdbeeren. Diese wilden Früchte kann ich nicht haltbar machen. Leichte Trauer überfällt mich. Wenn ich Zucker hätte, könnte ich mir Marmelade einkochen. Aber ohne Zucker? Ich weiß nicht einmal wie oder aus was Zucker hergestellt wird.
Den Gedanken verscheuchend, genieße ich noch einige der kleinen Erdbeeren. Eine Hand voll nehme ich zur Hütte mit. Vielleicht halten Sie bis morgen?
Gegen Mittag döse ich unter rauschenden Birken, genieße das goldgelb gefilterte Licht und betrachte die unzähligen Tageskerben in meinem Wanderstock, als ich jäh aufgeschreckt werde.
Deutlich höre ich galoppierende Pferde. Blitzartig schießt es mir durch den Kopf weder ein Lasso zu besitzen, noch es werfen zu können. Unsinn, auch wenn ich mir ein Pferd fangen könnte, wäre ich nicht in der Lage es zu zähmen oder gar zuzureiten.
In meinem Eifer hetze ich über den kleinen Hügel. Wenigstens sehen möchte ich die Wildpferde, die meinen Aktionsradius immens erweitern könnten.
Oben auf dem Hügel fährt mir der Schrecken, wie ein Blitz, tief ins Herz. Ich drohe zu stolpern, werfe mich nur noch wie ein tollkühner Torwart zu Boden und hoffe im Moos zu versinken.
Was ich sehe, trifft mich wie eine eiserne Faust mitten ins Gesicht. Das Unerwartete überrollt mich im größten Frieden, nichts ahnend, es könnte hier im Paradies etwas Böses geben.
Seit langer Zeit greife ich wieder nach meiner Waffe, aber der Griff geht ins Leere. Zufrieden mit mir und der Welt, hatte ich sie schon vor Wochen gegen meinen bequemeren und praktischeren Wanderstock eingetauscht und sie achtlos gegen den Kamin gelehnt und eigentlich schon längst vergessen.
Die Staubwolke, die immer bedrohlicher wird, hält wie ein reißendes Tier, die Klauen nach mir ausstreckend, genau auf mich zu. Details kann ich noch nicht erkennen, aber es sind etwa zwanzig bis dreißig Pferde im wilden Galopp und weit auswehender Mähne, vor einer Wolke aus Staub herstürmend.
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